Bentham
Bezug auf's Heinz Dilemma
Betrachten wir zunächst den Apotheker. Er wird, wie
jedes Individuum, seiner Entscheidung das "Hedonistische Kalkül"
zu Grunde legen. Das bedeutet, dass er mit Hilfe bestimmter Kriterien abwägt,
was ihm größere Freude bereitet: das Medikament billig abzugeben
oder es nur zum vollen Preis zu verkaufen. Solche Kriterien der Freude sind:
- Intensität
- Dauer
- Gewißheit
- Nähe
- Folgeträchtigkeit
- Reinheit
- Wirkungsradius
Nach diesen Aspekten wägt nun der Apotheker seine
Entscheidung ab. Der eigentliche Inhalt ist völlig beliebig, einzig
wichtig ist die zu erwartende Freude.
Durch das zu billige Verkaufen des Medikaments fürchtet der Apotheker
Verlust, den er vermeiden kann, wenn er sich nicht auf das Flehen von Heinz
einlässt. Die größere Freude entsteht für ihn also
dann, wenn er das Medikament behält, und dem entsprechend verhält
er sich auch.
Denn das Prinzip der Nützlichkeit sagt ihm, dass es sinnlos und schädlich
für ihn ist, das Medikament günstig an Heinz abzugeben.
Auch Heinz wägt seine Entscheidung nach dem Prinzip
der Nützlichkeit und mit den Kriterien der Freude ab. Erscheint es
ihm lohnenswert, seine Frau am Leben zu halten, weil er mir ihr z. B. noch
viel Spaß haben kann, dann wird er ohne Bedenken in die Apotheke einbrechen,
denn nur so ist ihm die größtmögliche Freude garantiert.
Fürchtet er jedoch die zu erwartende Strafe oder ist ihm der zu betreibende
Aufwand (Besorgen der nötigen Werkzeuge, anstrengende körperliche
Arbeit, nervliche Belastung) zu groß, wird er sich gegen den Einbruch
entscheiden, denn das Stehlen des Medikaments würde ihm nichts nützen.
Er ist sogar einem "ethischem Sollen" unterworfen, das ihm gebietet,
nicht das Leben seiner Frau zu retten, da es nicht seiner individuellen
Lust und Freude dient.
Somit ist weder der Apotheker noch Heinz an irgendwelche
übergeordneten Instanzen oder gar allgemeine Werte gebunden. Der Konflikt
mit der Rechtsordnung stellt sich für Heinz gar nicht, weil sie für
ihn und seine Entscheidungen vollkommen irrelevant ist. Die Norm "Schutz
des Eigentums andrer" existiert nicht. Genausowenig gibt es einen Wert,
der das Leben eines Menschen betrifft. Recht auf Leben, der Wert "Leben"
an sich, ist nach diesem ethischen Muster absolut unerheblich. Uneigennützigkeit,
Wohltätigkeit, Milde, Menschlichkeit sind in diesem Sinne sogar ethisch
falsche Verhaltensweisen, da sie dem Grundsatz widerspricht, dass nur das
gut ist, was allein für den Betreffenden mehr Freude bereitet. Selbst
wenn nach dem Grundsatz "das größtmögliche Glück
für die größtmögliche Zahl" gehandelt wird, kann
der Glücksbegriff mit negativem Inhalt gefüllt sein, da ja kein
Bezug zu allgemeingültigen Werten besteht.
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