Mill
Berücksichtigung der Qualität des Nützlichen
Benthams wichtigster Mitstreiter
für eine Umsetzung des Utilitarismus in Erziehung uns Politik ist seit
1808 der Historiker James Mill, dessen Sohn wiederum der bedeutendste Utilitarist
des 19. Jahrhunderts werden sollte. John Stuarts Mills "Utilitarismus"
wird eine der meistgelesenen philosophischen Schriften überhaupt. Das
liegt gewiß auch daran, daß er Benthams Position abmildert und
Grundgedanken anderer Ethiken mitberücksichtigt, bis die Angriffsflächen,
die Bentham bewußt aufgebaut hatte, wieder abgeschliffen sind.
(...) Die Anerkennung der Tatsache, daß einige Arten
der Freude wünschenswerter und wertvoller sind als andere, ist mit
dem Nützlichkeitsprinzip durchaus vereinbar. Es wäre unsinng anzunehmen,
daß der Wert einer Freude ausschließlich von der Quantität
abhängen sollte, wo doch in der Wertbestimmung aller anderen Dinge
neben der Quantität auch die Qualität Berücksichtigung findet.
Fragt man mich nun, was ich meine, wenn ich von der unterschiedlichen Qualität
von Freuden spreche, und was eine Freude - bloß als Freude, unabhängig
von ihrme größeren Betrag - wertvoller als eine andere macht,
so gibt es nur eine mögliche Antwort: von zwei Frueden ist diejenige
wünschenswerter, die von allen oder nahezu allen, die beide erfahren
haben ungeachtet des Gefühls, eine von beiden aus moralischen Gründen
vorziehen zu müssen, entschieden bevorzugt wird. Wird die eine von
zwei Freuden von denen, die beide kennen und beurteilen können, so
weit über die andere gestellt, daß sie sich auch dann vorziehen,
wenn sie wissen, daß sie größere Unzufriedenheit verursacht,
und sie gegen noch so viel andere Freuden, die sie erfahren könnten,
nicht eintauschen möchten, sind wir berechtigt, jener Freude eine höhere
Qualität zuzuschreiben, die die Quantität so weit übertrifft,
daß diese im Vergleich nur gering ins Gewicht fällt.
Es ist aber nun eine unbestreitbare Tatsache, daß diejenigen, die
mit beiden gleichermaßen bekannt und für beide gleichermaßen
empfänglich sind, der Lebensweise entschieden den Vorzug geben, an
der auch ihre höheren Fähigkeiten beteiligt sind. Nur wenig Menschen
würden darein einwilligen, sich in eines der niederen Tiere verwandeln
zu lassen, wenn man ihnen verspräche, daß sie die Befriedigung
des Tiers im vollen Umfang auskosten dürften. Kein intelligenter Mensch
möchte ein Narr, kein gebildeter Mensch ein Dummkopf, keiner der feinfühlig
und gewissenhaft ist, selbstsüchtig und niederträchtig sein .
auch wenn sie überzeugt wären, daß der Narr der Dummkopf
oder der Schurke mit seinem Schicksal zufriedener ist, als sie mit dem ihrem.
Das, was sie vor ihm voraushaben, würden sie auch für die vollständigste
Erfüllung all der Wünsche nicht aufgeben, die sie mit ihm gemeinsam
haben. Sollten ihnen dies doch einmal in den Sinn kommen, dann nur in Fällen
äußersten Unglücks, in denen sie bereit sind, fast jedes
andere Schicksal in Kauf zu nehmen, wie wenig sie sich auch von ihm versprechen,
nur um dem ihren zu entgehen.(...)
Quelle:
John Staurt Mill, Der Utilitarismus, 1871, 11863, 2. Kapitel Deutsche Übersetzung,
Anmerkungen von D. Birmabcher, Reclam, Stuttgart 1985, Seite 15-10
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